„Hilfe, mein Sohn kifft! Ist er süchtig?“ – Viele Eltern befürchten, dass ihr Kind vom einen auf den anderen Moment süchtig werden kann. Die Entwicklung einer Sucht verläuft jedoch vielmehr allmählich, über eine Reihe von Phasen. In jeder Phase hat der Konsum eine andere Funktion. Der Verlauf des Suchtprozesses gibt Hinweise, wann man in die Gefahrenzone kommt.
Manche Eltern haben Angst vor Dealern, die Drogen in die Cola ihres Kindes werfen könnten, um schnell einen süchtigen Kunden mehr zu haben. Auch die „Stepping Stone“ Theorie hat viele Befürworter: Heute kiffen, heißt nächste Woche Heroin. Die Entwicklung einer Sucht verläuft jedoch allmählich, über eine Reihe von Phasen. In jeder Phase hat der Konsum eine andere Funktion. Je weiter der Prozess voranschreitet, desto abhängiger wird der Konsument von dem entsprechenden Mittel.
Die Beschreibung der verschiedenen Phasen des Konsums macht deutlich, dass der mäßige Konsum von Alkohol und einigen Drogen durchaus möglich ist. Aus eigener Erfahrung wissen die meisten, dass die Nutzung des Computers über mehrere Stunden am Tag nicht einfach abhängig macht. Viele kennen dieses Phänomen auch vom eigenen Alkoholkonsum. Bei den meisten anderen Drogen wird allerdings schnell an Sucht gedacht. Aber ebenso, wie viele Leute maßvoll mit Alkohol umgehen, nehmen auch viele Menschen bestimmte Drogen nur in begrenztem Maße zu sich. Doch wieviel ist zuviel? Der Verlauf des Suchtprozesses gibt Hinweise, wann man in die Gefahrenzone kommt.
Im Jugendalter kommen viele Menschen erstmals mit einer bestimmten Substanz in Berührung. Sie sehen Leute in ihrer Umgebung rauchen, sie bekommen ein Gläschen Wein zum Weihnachtsessen, auf einer Fete geht ein Joint rum. Jugendliche treffen – bewusst oder unbewusst – eine Entscheidung: Soll ich dieses Mittel probieren? Warum sollte ich es nicht probieren? Die Funktion, die dieses Ausprobieren hat, liegt in der Befriedigung der Neugierde und auch dem „Mitmachen“ in der Gruppe. Einige Jugendliche entscheiden sich, ein Mittel öfter zu probieren, andere probieren es einmalig, aber beenden den Konsum danach.
Die Risiken hierbei sind:
Nach dem Kennenlernen folgt die Experimentierphase: mehr konsumieren, eigene Vorlieben entdecken, Grenzen abtasten usw. Wichtige Motive in dieser Phase: sich aufspielen, mitmachen, sich abgrenzen, Suche nach Spannung oder Flucht vor dem Alltagstrott. Funktion: Abtasten der eigenen Grenzen, Entwicklung der eigenen Identität.
Mögliche Risiken: Übermäßiger Konsum, Vandalismus, Aggression, betrunkene Teilnahme am Straßenverkehr, juristische Konsequenzen usw. Die Risiken hängen stark von der jeweils konsumierten Substanz bzw. dem Ausmaß des Konsumverhalten ab. Aber auch ein früher Erstkonsum kann unter Umständen ein Risikofaktor sein. Das Experimentieren ist häufig vorübergehend. Viele beenden nach einer Phase des Experimentierens den Konsum – insbesondere von Substanzen, die unerwünschte Nebeneffekte haben und/oder die gesellschaftlich weniger akzeptiert sind. Alternativ kann der experimentelle Konsum aber auch ineinen sozialen Konsum übergehen.
In dieser Phase konsumiert man vor allem, weil es lecker oder gemütlich ist, z.B. um etwas zu feiern, um ausgelassen oder entspannt zu sein. Die meisten Trinker trinken „sozial“, ebenso gibt es viele „soziale Kiffer“. Die Norm für sozialen Konsum von Alkohol hat sich ziemlich gelockert. Damit ist zugleich ein Risiko verbunden: Ohne es zu merken konsumiert man mehr, öfter und aus anderen Gründen. Aus sozialem Konsum wird dann de facto Gewohnheit: Es ist keine bewusste Entscheidung mehr, in bestimmten Momenten zu konsumieren sondern es gehört zum Alltag dazu.
Weitere Risiken: Kombination von Alkohol und Verkehr, ungewünschte Intimitäten, Aggressivität usw.
Sozialer Konsum kann sich über „Gewohnheitskonsum“ zu problematischem Konsum ausweiten. Eine bestimmte Gewohnheit kann zu häufigerem Konsum führen, Konsum zu früheren Tageszeiten, größeren Mengen usw.
Allmählich kann die Erfahrung entstehen, dass Alkohol oder Cannabis „hilft“, sich wohler zu fühlen. Das Motiv zu konsumieren verschiebt sich unmerklich – und die Kontrolle über den Konsum oder das entsprechende Verhalten (z.B. Computerspielen) verschwindet.
In diesem Stadium können Probleme mit der Schule, der Arbeit, Beziehungen und der Gesundheit entstehen. Solange die Vorteile des Konsums jedoch größer als die Nachteile sind, hört man nicht auf. Es kann sein, dass Leute phasenweise z.B. in Zeiten von Trauer, Konflikten oder Stress problematisch konsumieren. Allein oder gemeinsam mit anderen beschließen sie dann, das betreffende Mittel nicht mehr zu nehmen bzw. wieder sozial zu konsumieren.
Eindeutige Signale für einen problematischen Konsum, wie sie sich Eltern häufig wünschen, gibt es leider nicht. Folgende Verhaltensänderungen können jedoch einen Hinweis auf einen problematischen Alkohol-, Drogen- oder Medienkonsum (z.B. Computerspielsucht, Glücksspielsucht) geben:
Natürlich ist insbesondere in der Pubertät auch ohne ein problematisches Konsumverhalten mit einigen der genannten Verhaltensänderungen zu rechnen! Ist jedoch für die Eltern als Ursache ein (zunehmender) Substanzkonsum oder bspw. die zunehmende Mediennutzung auszumachen, sollten die Themen Sucht und Konsumverhalten unbedingt offen in der Familie kommuniziert werden.
Von Sucht oder Abhängigkeit ist die Rede, wenn jemand körperlich oder psychisch von einer Substanz oder einem Verhalten abhängig geworden ist.
Körperliche Abhängigkeit liegt vor, wenn sich der Körper an eine bestimmte Menge einer Substanz „gewöhnt“ hat und diese braucht, um beschwerdefrei „zu funktionieren“. Der / die Betroffene muss hierbei immer mehr konsumieren, um diesen Effekt zu erzielen. Bei einem Konsum-Stopp verlangt der Körper nach dieser Substanz: Entzugserscheinungen bis hin zum völligen Verlust der Selbstkontrolle treten auf. Substanzen wie z.B. Alkohol und Heroin können zur körperlichen Abhängigkeit führen. Substanzen wie z.B. Cannabis, Ecstasy oder psychedelische Pilze machen körperlich nicht abhängig.
Psychische Abhängigkeit besteht, wenn sich der / die Betroffene nur noch gut fühlt, nachdem die entsprechende Substanz konsumiert wurde bzw. wenn der / die Betroffene dem Verhalten nachgehen kann, von dem er / sie süchtig ist (z.B. Computer spielen).
In der Regel ist psychische Abhängigkeit schwieriger zu überwinden als körperliche Abhängigkeit, da der körperliche Entzug nach relativ kurzer Zeit abgeschlossen ist. So ist es oft nicht einfach, das Leben wieder so einzurichten, dass man auch im Kopf frei von der entsprechenden Substanz bzw. dem Verhalten werden kann.
Bei problematischem Konsum: Professionelle Hilfe
Wenn Sie denken, Ihr Kind zeigt ein problematisches Konsumverhalten oder könnte ein problematisches Konsumverhalten entwickeln, zögern Sie nicht professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wir beraten Sie bei allen Fragen zum Substanzkonsum.